Der Kick
von Gesine Schmidt & Andres Veiel
Das Hörspiel geht auf einen Mordfall zurück, der sich im Juli 2002 in Potzlow in der Uckermark ereignete. Im Laufe eines Alkoholexzesses wird der 16-jährige Marinus von drei Kumpels geschlagen, gequält und schließlich grausam ermordet. Das Stück ist nach ausgiebigen Recherchen entstanden, die Andres Veiel und Gesine Schmidt vor Ort betrieben haben: Gespräche mit Angehörigen, Leuten aus dem Dorf und den einsitzenden Tätern. Dazu Verhör- und Gerichtsprotokolle. Das verstörende Bild einer sozialen Verrohung und Verlorenheit wird sichtbar, die weit über den Fall an sich hinaus- und tief in die Vergangenheit zurückgeht.
Erstsendung: 03.02.2006 | rbb-kulturradio | 55′ | Kopr. SWR
Vorlage: Der Kick (Theaterstück)
Bearbeitung: Andres Veiel
Dramaturgie: Regine Ahrem
Technische Realisierung: Peter Kainz
Regie: Martin Zylka
Mit: Jule Böwe, Tina Engel, Astrid Meyerfeldt, Gudrun Okras; Christian Berkel, Fabian Busch, Gerd Grasse, Fritz Hammer, Udo Kroschwald, Florian Lukas, Bernd Michael Lade, Klaus Manchen, Dieter Mann, Viktor Neumann, Jesco Wirthgen
https://hoerspiele.dra.de/vollinfo.php?dukey=1517208&SID
AUSZEICHNUNG
• Robert Geisendörfer Preis 2007
»Erst als er zum vierten Mal die 60 Kilometer von Berlin nach Potzlow fuhr, habe er sich überhaupt getraut, ein Mikrofon mitzunehmen, erinnert sich Andres Veiel in seinen Notizen an die Vorarbeiten zu „Der Kick“. Sein Multimediaprojekt rekonstruiert nach einem authentischen Fall das tragische Schicksal eines ostdeutschen Jugendlichen. Der 17-jährige Marinus wurde in Potzlow von seinen drei rechtsradikalen Freunden im Alkoholexzess zu Tode gequält.
In Gesprächen mit den Eltern, Freunden und den ermittelnden Behörden hatten der Dokumentarfilmer und die Dramaturgin Gesine Schmidt sich ein differenziertes Bild von der Tat und den Tätern gemacht. Sie montierten aus den so entstandenen 1500 Seiten Interview-Transkription eine 40-seitige Theaterfassung, die zunächst fern des Tatortes in Basel uraufgeführt, dann für einen Kinofilm eingerichtet und in Form einer Textsammlung veröffentlicht worden war. Als Hörspiel des RBB kehrte „Der Kick“ schließlich an seinen Ursprungsort nach Brandenburg zurück.
Den Vergleich mit Film und Theaterfassung muss das Hörstück nicht scheuen. Die Bilder, die der Filmemacher Veiel aus Rücksicht auf die Betroffenen nie gedreht hatte, entstehen hier im Kopf. Die Menschen, denen das Böse ja ohnehin nicht ins Gesicht geschrieben steht, sieht man jetzt mit geschlossenen Augen vor sich. Die Verharmlosungsformeln, hinter denen sie ihre seelische Verrohung zu kaschieren suchen, klingen – von namhaften Sprechern kunstvoll stilisiert – nun erst recht wie Floskeln. Nie droht in diesen 55 Minuten die schreckliche Tat in Vergessenheit zu geraten. Und doch gelingt es Veiel und Schmidt, mit diesem hochartifiziellen Projekt die komplexen sozialen und psychologischen Hintergründe deutlich zu machen und so die Täter auch als Menschen vorzustellen.«
Begründung der Jury